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Pauls Pilotentipp #29: Rette sich wer kann, oder: Rettung tut not…

Unser Urlaub in diesem Jahr führte uns ungeplanter Weise mal wieder in das sehr schöne Trainingsgelände von Meduno und seinem Monte Valinis.

Meine Frau und ich lieben das Gelände – weil es so viel Möglichkeiten zum Üben bietet: 2 Startplätze in unterschiedlichen Höhen in Südausrichtung, eine Hangkante, welche spätestens ab dem frühen Mittag von der aufgeheizten Ebene aus Süden angeströmt wird – mit langen Flügen und sogar der Möglichkeit, relativ einfach „Top zu landen“. Und wenn man die große offizielle Landewiese nicht trifft, dann gibt es eine Unmenge an Außenlandemöglichkeiten.

Meduno: Abend-Soaring mit Papillon-Schirmen (Raqoon)

Ideal – auch für eine ganze Menge an Flugschulen aus den umliegenden Ländern. Diesmal war neben anderen Flugschulen wieder eine tschechische Variante vorhanden, welche an diesem Hang in den früheren Tagesstunden Höhenflugausbildung mit einer großen Anzahl von Teilnehmern durchführte.

An solch einem frühen Vormittag hatten wir gerade unser Wohnmobil unter den Schatten des einen einzelnen Baums an der Landeplatz-Bar abgestellt und unsere Ausrüstung für den Transport mit dem gelegentlich fahrenden Shuttle aus dem Auto herausgeholt.

An diesem Morgen war die vorrangige Übung der Flugschüler die Simulation des „Verhängers“, bzw. des gehaltenen Klappers. Im Grunde eine Übung, welche sehr schön zeigt, wie stabil heutige Schirme bei richtiger Reaktion geradeaus fliegen – selbst bei einem (simuliertem) Verhänger.

Dann passierte genau das, was nicht passieren durfte: Die Klapper-Übung wurde in relativ geringer Höhe über dem Landeplatz durchgeführt. Bei einer Teilnehmerin ging aber der Klapper nicht mehr auf. Der tschechische Fluglehrer gab mehrere Anweisungen, den Klapper zu beenden, aber das führte zu keinem Erfolg – der Schirm setze zum Spiralsturz an. Offensichtlich „hakte“ da was. In ca. 60 m Höhe über Grund zog die Teilnehmerin endlich die Rettung, nachdem wir Umstehenden schon mehrfach „Rescue“ gerufen hatten, was dann der tschechische Kollege endlich über Funk durchgab und sie „gehorchte“.

Von oben fiel ein Bündel Schirm, Mensch und ein sich öffnender Rettungsschirm exakt in Richtung Baum und mein Wohnmobil runter. Genau noch im richtigen Moment öffnete sich der Retter, als die Pilotin den Baum von oben berührte, dann über die Front meines Wohnmobils abgefedert wurde und ein paar Zentimeter über dem Boden hing, weil sich dann der Retter glücklicherweise gerade geöffnet im Baum verfing.

Die positive Nachricht: Ihr ist überhaupt nichts passiert, außer dass eine Überdosis Adrenalin ausgeschüttet wurde: Wir konnten sie unverletzt aus ihrem Gurtzeug abschnallen. Mehrere Schutzengel erhielten jedoch einen Herzinfarkt, was aber aufgrund derer Unsterblichkeit nicht so ins Gewicht fällt.

Die Ursache des Nicht-Öffnens war schnell gefunden: Eine der A-Leinen hatte sich durch die Entlastung am Verschluss des linken Karabiners eingeklemmt, ein Öffnen des Klappers wäre wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Zumindest wäre in der geringen Arbeitshöhe gar keine Chance hierzu vorhanden gewesen, die Ursache zu entdecken und dann noch richtig zu reagieren.

Alles noch mal „Joot jejange“? Schon.

Einerseits:

  • Ihr ist nichts passiert.
  • Es hat sich mir eindrucksvoll gezeigt, dass der Retterwurf selbst in geringer Höhe nützlich ist – erst recht, wenn ein Baum den Retter und ein Wohnmobil mit schräger Motorhaube den Sturz mit abfangen.
  • Am nächsten Tag ist sie schon wieder geflogen – mit einer neuen lebensrettenden Erfahrung. Wir haben am Tag drauf noch viel miteinander gesprochen und sie ist sich ihres Glückes sehr bewusst.

Andererseits:

  • Die Übungen wurden in viel zu geringer Höhe durchgeführt. Es hat schon seinen Grund, dass wir Manöver grundsätzlich 150 m über Grund beenden. Der Rest der Höhe ist für eine sichere Landung gedacht und wird auch dafür benötigt
  • Es wurde aus meiner Sicht überhaupt nicht an die mitgeführte Alternative gedacht: Den Retter! Erst auf Aufforderung. Keine Reaktion des Fluglehrers, aber auch nicht von der Flugschülerin. Ihr ist hierbei wohl der geringere Vorwurf zu machen, in der Phase der Ausbildung orientieren wir uns als angehende Piloten eher an den göttlichen Worten des Fluglehrers.

Meine Tipps für heute:

Möglicherweise liegt hier ein Grundproblem in unserer Gedankenwelt in unserer Beziehung zum Retter. Wir wollen vom Retter nichts wissen! Und das könnte fatal enden.

  • Der Retter ist ein wichtiger Teil unserer Ausrüstung und so etwas wie ein Joker für kritische Flug-Situationen, aus denen wir uns nicht selber befreien können.
  • Wir sollten uns seiner Existenz positiv bewusst sein.
  • Wir sollten ihn einsetzen, wenn wir ihn benötigen.
  • Wir sollten dabei nicht auf die letzte Millisekunde warten. Die Letztentscheidung liegt bei uns und nicht im Funkgerät.
  • Wir sollten den Retter pflegen! Irgendwann ist auch diese Saison zu Ende: Dies wäre die Zeit eines der Rettungswurf-Seminare zu besuchen und den Retter mal wieder zu Gesicht zu bekommen.

Ich wünsche Euch allseits sichere Flüge und natürlich Situationen, in denen Ihr keine Retter-Auslösung benötigt. Aber bitte denkt rechtzeitig an den Retter, wenn alle Plan-A-Vorhaben scheitern.

Euer Paul

Paul Seren

Paul Seren
ist Papillon-Fluglehrer, Dipl.Ing. der Luft- und Raumfahrttechnik, Mitglied im DHV-Lehrteam, begeisterter Flugsportler der ersten Stunde und Tandempilot.

In seinem Blog „Pauls Pilotentipps“ informiert er in loser Folge über Wissenswertes und Aktuelles rund ums Gleitschirmfliegen.

paul@papillon.de

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