Gleitschirm-Onlinemagazin (GOM): Hallo Andreas, die Heimat der Papillon-Flugschulen ist ja die Wasserkuppe in der hessischen Rhön. Deshalb vorab die Frage: Was macht die Wasserkuppe zum „Berg der Flieger“?
Andreas Schubert: Die Wasserkuppe ist die Wiege des Segelfluges – weltweit. Nirgendwo sonst hat ein Berg so viel mit der Geschichte des Fliegens zu tun. Die ersten Segelflieger starteten zu Fuß und mit Gummiseil-Katapult. In der Fußstart-Tradition folgten in den 1970er Jahren die Drachenflieger. Heute starten die Gleitschirmpiloten an den großen, hindernisfreien und frei vom Wind angeströmten Hängen rund um das Fliegerdenkmal auf der Wasserkuppe – ebenfalls zu Fuß, wie die Pioniere vor über 100 Jahren.
Werfen wir am besten erstmal einen kurzen Blick auf einige der Meilensteine rund um die Fliegerei auf der Wasserkuppe und zur Geschichte der Rhöner Drachen- und Gleitschirmschulen:
- 1905 starten die ersten Flieger auf dem Weltenseglerhang Richtung Quellwiesen der Fulda.
- 1911 Auf der Wasserkuppe entstehen die ersten Fliegerlager.
- 1918 Nach der Niederlage gegen Frankreich wird Deutschland im Vertrag von Versailles motorisiertes Fliegen verboten. Der Segelflug auf der Wasserkuppe erlangt eine große militärische Bedeutung.
- 1923 wird das Fliegerdenkmal auf der Wasserkuppe eingeweiht. Der Adler auf dem Fliegerdenkmal schaut noch heute nach Westen, nach der damaligen Ideologie in Richtung des „wahren Feindes der Flieger“ (nach Frankreich).
- 1923 Ausrichtung des ersten Punktlandewettbewerbs
- 1923 Einige Segelflugweltrekorde sorgen für internationale Aufmerksamkeit.
- 1924 Gründung der ersten Segelflugschule der Welt
- 1933 Gründung der Reichssegelflugschule
- 1950 Segelflug wird in Deutschland wieder erlaubt. Der Deutsche Aeroclub wird im Hotel Peterchens Mondfahrt auf der Wasserkuppe gegründet.
- 1970 Das Segelflugmuseum auf der Wasserkuppe wird eröffnet. Heute ist es das weltweit größte Segelflugmuseum.
- 1975 Papillon wird als ein internationales Drachenflugzentrum von Drachenflugpionier Uli Kroll gegründet.
- 1976 findet der erste Wettbewerb im Drachenfliegen in der Disziplin Accuracy statt.
- 1994 Gründung der Paraglidingschule Papillon durch Andreas Schubert und Uli Kroll.
- 1998 wird ein Gebäudeteil der markanten Radarkuppel (Radom) auf dem Gipfel der Wasserkuppe Clubhaus der Rhöner- Drachen- und Gleitschirmflieger.
- 1998 wird in Südtirol eine Papillon-Dependance gegründet. Die Rhöner Papillons starten seitdem auch am Tulperhof im Lüsener Tal, 5 km von Brixen entfernt. Das 25jährige Jubiläum wird 2023 auf der Alm gefeiert.
- 1998 der Luftfahrttechnische Betrieb von Papillon hat seine Arbeit aufgenommen.
- 2000 Uli Kroll und Andreas gründen aus den beiden Flugschulen auf der Wasserkuppe die „Rhöner- Drachen- und Gleitschirmflugschulen Wasserkuppe GmbH“
- 2001 Das Unternehmen kauft die beiden Hotels „Deutscher Flieger“ und „Peterchens Mondfahrt“ auf der Wasserkuppe.
- 2003 Ernst Strobl und Andreas Schubert entwickeln den ersten Papillon-Paragliders-Schirm: Den Bodyguard. Der kompromisslos sichere Schirm wurde über 1000 Mal verkauft.
- 2004 Das neu erbaute „Flugcenter Wasserkuppe“ beheimatet einen zentral gelegenen Gleitschirmshop mit sehr großer Auswahl, Europas größte Flugschule und den luftfahrttechnischen Betrieb unter einem Dach.
- 2006 und 2007 erweitert Papillon die Flugschulangebote im Sauerland und im Stubaital in Österreich.
- 2005 und 2007 werden Lennard und Linus Schubert geboren. 2024 sind sie auf Platz 2 bzw. 5 der FAI-Weltrangliste in der Disziplin Paragliding Accuracy.
- 2011 organisiert Papillon die erste deutschsprachige Himalaya-Expedition mit dem Ziel, mit dem Gleitschirm über den Mount Everest zu fliegen. Die Expedition scheitert wetterbedingt. Alle Piloten kommen unversehrt wieder zurück.
- 2011 feiern die Flugsportler auf der Wasserkuppe 100jähriges Jubiläum. Das erste Paragliding-Worldcupfinale in der Disziplin Accuracy wird auf dem Fliegerberg mit großem Erfolg veranstaltet.
- 2018 wird die Bodyguard-Reihe mit dem Erfolgsmodell Bodyguard7 von Papillon Paragliders fortgesetzt.
- 2019 Die Geschichte über Papillon Paragliders wird verfilmt. Der Film ist auf der Webseite www.papillon-paragliders.com zu sehen.
- 2019 und 2023 finden zum wiederholten Male die Worldcup-Finale auf der Wasserkuppe statt.
- Das Team Papillon Paragliders gewinnt einen Worldcup, wird mehrfach Zweiter und gewinnt 2021 den Gesamtworldcup. Der Slowene Matjaž Sluga ist mit seinem Papillon Paragliders Raqoon Weltrekordhalter.
- 2023 kommen einige internationale Partner für Papillon Paragliders dazu. Im Oktober wird Linus Schubert mit seinem Papillon Paragliders Himalaya Vizeweltmeister .
GOM: Wie ist deine persönliche Geschichte?
Andreas: Meine persönliche Geschichte ist sehr eng mit Papillon verbunden. Ich lebe für das Fliegen – seit 30 Jahren. In dieser Zeit gab es Erfolge, von denen ich im Zeitstrahl der Jahre bereits einige aufgezählt habe. Es gab auch Rückschläge. Nicht immer hat alles funktioniert.
1997 und 1998 flog ich in Deutschland die Liga im XC mit. Ich wurde damals Dritter in Deutschland und konnte einige Tagessiege erfliegen. Ich hatte das Gefühl, mit Ernst Strobls Escape von UP in der Luft eins zu sein. Dennoch wurde ich nicht für die WM im Pinzgau 1998 nominiert.
Ich zog mich aus dem internationalen Wettbewerb sofort zurück und legte den Schwerpunkt meiner Arbeit in die Firma. Von 1991 bis 1996 habe ich Mathematik und Physik studiert. Meine Examensarbeit war die Grundlage des heutigen Schulungsscripts „Paragliding today“, das im Laufe der 25 Jahre natürlich aktualisiert und inzwischen über 200.000 Mal heruntergeladen wurde. Es ist nach wie vor sehr empfehlenswert und als freier Download auf Deutsch und Englisch hier kostenlos als PDF-Download erhältlich.
Seit dem Jahr 2000 sind wir die größte Flugschule in Deutschland. Ich hatte das damals zunächst gar nicht so wahrgenommen, aber es gab nirgends eine Schule, die mehr Schüler ausbildete. Heute gibt es sehr viel größere Schulen, die jedoch hauptsächlich Tandemflüge anbieten und durchführen. Wir sind noch immer eine Flugschule, die ihren Schwerpunkt in der Ausbildung hat. Damit sind wir vermutlich noch immer die Flugschule mit den meisten Flugschülern.
Die Szene ist nicht sehr groß: Wir haben jede Woche ungefähr 15 Piloten, die ihre Ausbildung zur Lizenz absolvieren. Danach fliegen die meisten aber weiterhin mit Papillon – auf Reisen oder bei Fortbildungen. Einige der Lehrer, die früher in der Ausbildung waren, bieten heute nur noch Flugreisen an.
GOM: Der Name Papillon geht ja auf den gleichnamigen Film zurück. Wofür steht Papillon heute?
Andreas: Für Erfahrung und Leidenschaft.
In einem Jahr kommen bei uns rund 100.000 Flüge zusammen, die unsere Fluglehrer betreuen. Das ist ein enormer Erfahrungsschatz, der letztlich auch in der Entwicklung der Papillon-Gleitschirme einfließt.
Ich muss immer wieder schmunzeln, wenn mir Testpiloten erzählen, dass sie einen neuen Anfängerschirm gebaut haben. Unser Team erkennt innerhalb weniger Tage, ob ein Gleitschirm hält, was über ihn erzählt wird.
Mit unserer Marke „Papillon Paragliders“ sind wir der Hersteller mit den meisten EN-A-Gleitschirmen im Portfolio. In diesem Segment kennen wir uns gut aus. Selbst der einzige mir bekannte Tandemschirm mit einer EN-A-Einstufung ist ein Schirm von Papillon Paragliders.
GOM: Welches ist meistverkaufte Papillon-Modell?
Andreas: Der Raqoon. Meine Kinder haben darauf gelernt. Ich würde keinem Kunden ein Gerät geben, dass nicht diese große Sicherheit hat. Der Raqoon ist auch ein Weltrekordschirm – zusammen mit Matjaz Sluga hat er 24 Mal hintereinander in Wettbewerben das Pad mit weniger als 5 cm Abweichung getroffen. Er lässt sich sehr exakt fliegen. und ist damit nicht nur für unsere Flugschüler und „Ab-und-zu-Piloten“ prima geeignet.
GOM: Stellt Papillon Paragliders auch Gurtzeuge her?
Andreas: Hier gibt es einen ähnlichen Anspruch. Betrachten wir den Markt als einen sehr kleinen Nischenmarkt, der gleichzeitig hart umkämpft ist. Ich glaube, dass man nur erfolgreich sein kann, wenn man ein seiner Zielgruppe ein wirklich sehr gutes Produkt anbietet.
Unser Experte für Gurtzeuge, Jens Salomon, hat tausende Gurtzeuge an ebenso viele Kunden in zigtausend Beratungsstunden angepasst und eingestellt. Basierend auf dieser Erfahrung hat er ein Gurtzeug für die Gelegenheitspiloten auf den Weg gebracht, das für dieses Segment sicherlich seinen festen Platz im Markt sichern wird. Es ist gerade im Finishing.
Ich denke, dass wir im Frühjahr die erforderlichen Erfahrungen sammeln werden, um das Gurtzeug auf den Markt bringen zu können. Schon aufgrund der ersten Prototypen bin ich sicher, dass wir dann für Genussflieger, Thermik- und Soaringpiloten ein sehr ausgereiftes und komfortables Gurtzeug werden anbieten können. Unsere Ansprüche sind sehr hoch: Maximaler Komfort auch bei längeren Flügen, sehr einfaches Rein- und Rauskommen, geringes Gewicht, robustes Material, hohe Funktionalität trotz bestmöglicher Elementarisierung, ansprechendes Design, optimiertes Sicherheitskonzept…
GOM: Andreas, vielen Dank, dass du dir die Zeit für dieses Interview genommen hast! Abschließend noch eine letzte Frage: Wie fasst du die Philosophie der Papillon-Flugschulen zusammen?
Andreas: Flugschule ist unsere Leidenschaft. Wir bilden gerne aus, wir haben sympathische junge Lehrer, geniale Übungshänge, ein ausgereiftes Konzept, viele Reisen, Fortbildungsangebote – und bei allem immer selbst sehr viel Spaß mit den Piloten.
See you UP in the sky!
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– Andreas Schubert