Wochenende, Flugwetter, die Ausrüstung komplett und im Auto, keine ungeplanten und plötzlichen Familiengeburtstage vergessen, der Rasen gemäht, der Wind zum ausgewählten Hang passt: Dem Flugerlebnis steht nichts entgegen!
Also rauf auf die Autobahn, ab zum Berg der fliegerischen Träume und Wünsche…
… und schon ausgebremst: Ein Geisterfahrer wird gemeldet, alles fährt rechts ran, bis die Gefahr vorüber ist.
Dann: Allgemeines Aufatmen, nichts passiert, der Geisterfahrer hat die Autobahn verlassen. Der Verkehr rollt wieder, alles entzerrt sich, die Autobahn wird 3-spurig. Alles verteilt sich: Die ganz schnellen nach links, die langsameren in die Mitte und die ganz langsamen…auch in der Mitte!
Die rechte Spur ist komplett frei, trotzdem dümpelt da eine Armada von überaus vorsichtigen, zurückhaltenden Autofahrern auf der Mittelspur. Meine Steuergelder wurden umsonst für die rechte Spur ausgegeben, die Autobahn kann nur 2 spurig befahren werden. Rechts überholen ist nur in der Fliegerei zulässig, also warten wir die Lücken auf der linken Spur ab und quälen uns bis zur Ausfahrt dahin.
Endlich am Ziel! Durchatmen, auspacken, den Himmel beobachten, einige sind schon im Hausbart und drehen auf.
Also: Schirm raus aus dem Packsack, alles im Gurtzeug hinten verstaut, Gurtzeug nach der Vorflugkontrolle/Splintkontrolle angezogen und vorbereitet, und ab mit dem Schirm als Rosette oder unterm Arm vor an den Startplatz, es könnte nun losgehen, aber…dort liegen munter ein paar Schirme in der Sonne ausgebreitet mit akkurat farblich sortierten Leinen. Hübscher S-Schlag der Tragegurte. Davor: Nichts!
Leere was die potentiellen Piloten betrifft. Ach ja, die stehen noch hinten und bügeln ihr Gurtzeug, telefonieren mit den Lebensabschnittspartnern über das Abendprogramm, schauen noch mal die Wetterwerte oder die Aktienkurse durch, haben alle Zeit dieser Welt.
Leider keine Leere, wo ich meinen Schirm auslegen und sofort starten könnte.
Déjà-vu Nr. 1! Wie gerade auf der Autobahn. Alles blockiert – und das ohne Grund! Gut, auf die paar Minuten kommt es nicht an – wir haben eh schon Zeit verloren. Und einmal Thermik ist ja gleich immer Thermik. Auch nach Sonnenuntergang. Ein dezenter Hinweis auf den im Kalender eingetragenen Sonnenuntergang und die zusätzliche Bemerkung, dass man morgen früh wieder zur Arbeit muss, bewegt dann doch den einen oder andern „Mittelspurfahrer“ sich einzuhängen und einen Startversuch zu unternehmen.
Nun gut, den folgenden Startabbruch kann man eventuell nutzen, schnell den eigenen Start vorzubereiten und durchzuführen, um die letzten gefühlten Sonnenstrahlen noch zu erwischen.
Es hat sich gelohnt – der Hausbart ist noch aktiv, jedenfalls ein bisschen. Vorsichtiges Kurven ist angesagt, flach und der erste Kreis war schon im Nullschieber, der zweite schon im leichten Steigen, der dritte Vollkreis schon deutlich besser – angebissen, es könnte munter so weitergehen! …im Augenwinkel sichtbar ein weiterer Gleitschirm in nahezu gleicher Höhe. Kein Problem, Platz ist für zwei immer da – außer sie kreisen mit unterschiedlichen Drehrichtungen. Doch genau das passiert –
Déjà-vu Nr. 2: Ausweichen wird notwendig: „Bitte fliegen sie rechts ran, kurven nicht weiter in Ihrer Richtung, auch wenn sie den Bart ausgegraben haben und vom Luftrecht Vorrang haben, fliegen sie nicht nebeneinander und verwerfen ihren Flugplan, bis die Gefahr vorüber ist….“
Diese Gefahr ist gerade an Flächenspitze vorbeigeschossen. Der Anschluss an die letzte Thermikblase auch.
Liebe Leser, worauf will ich hinaus?
Meine Bitte: Behindert euch nicht. Es gibt einige Regularien im Luftrecht, welche einem guten Anhalt geben, hier ein paar mit meinen Worten formulierte Auszüge:
- Ein offensichtlich in der Thermik befindlicher Gleitschirm (Hängegleiter, Segelflieger) hat Vorrang, andere Luftfahrzeuge (Gleitschirme, Hängegleiter, Segelflugzeuge) müssen ausweichen!
- Der erste offensichtlich in der Thermik befindliche Gleitschirm (Hängegleiter, Segelflieger) gibt die Drehrichtung vor – alle anderen Gleitschirme (Hängegleiter, Segelflieger) haben sich zur Vermeidung von Kollisionen daran zu orientieren und daher die gleiche Drehrichtung zu wählen
Etwas das nicht aus dem Luftrecht abzuleiten ist, sich aber aus der Praxis heraus sehr bewährt hat:
- Bitte legt eure Schirme nicht wie Handtücher am Pool als Platzreservierung für den Start vorab aus, sondern:
- Legt das Gurtzeug zuerst an, macht euch startbereit.
- Dann geht vor zum Startbereich mit eurem Schirm – wenn die Bedingungen für euch passen
- Legt den Schirm aus, hängt euch ein….
- …. und startet zu angemessener Zeit.
Verglichen mit dem Mittelspurfahrer: In der Straßenverkehrsordnung gilt das „Rechtsfahrgebot“. Die linken Spuren sind für die schnelleren Fahrzeuge und zum Überholen gedacht. „Vorsorglich“ schon mal links zu fahren falls vielleicht mal ein LKW auf der rechten Seite ist, behindert nur und führt zur unnötigem Stress auf der linken Spur.
Ähnlich zum vermeidbaren Stress beim Startplatz: keine Böe der Welt kann den ausgelegten Schirm verwurschteln, niemand drängelt mehr, alle sind glücklich…
Ich wünsche euch solche stressfreie Starts und ebenso keine Geisterfahrer in der Thermik!
Paul Seren
ist Papillon-Fluglehrer, Dipl.Ing. der Luft- und Raumfahrttechnik, Mitglied im DHV-Lehrteam, begeisterter Flugsportler der ersten Stunde und Tandempilot.
In seinem Blog „Pauls Pilotentipps“ informiert er in loser Folge über Wissenswertes und Aktuelles rund ums Gleitschirmfliegen.