Auch diese Woche haben wir in Lüsen interessante Vorbereitungs-Varianten für die Schirme beobachten können:
Mal geradegezogen, mal lässig hingeworfen, mal teilweise eingeklappt, die Kappeneintrittsöffnung sichtbar oder auch spielerisch verknautscht, Schnüre farblich sortiert oder schön verdreht, die Leinen-Ebenen einzeln sichtbar oder mit anderen innig verschlungen…
Dann kommt der Aufziehvorgang der einzelnen Varianten – und an diesem ist wiederum sehr schön zu beobachten, welche der genannten Methoden zu einem ruhigen Ende des Aufziehvorgangs und einer ruhigen Kontrollphase führen.
Ja, es ist eine Auslegungssache: Generell steigen die Schirme, welche „ordentlich“ ausgelegt sind, einfach gleichmäßiger hoch. Sie können sich leichter füllen, auf die Schirmkappe wirkt der Erstauftrieb gleich von Anfang, der Schirm steigt eigenständig und es ist ein geringerer Kraftaufwand notwendig (siehe meinen Blog-Beitrag zum Thema: In der Ruhe liegt die Kraft).
Auch der Lauf-Weg, bis sich der Schirm über uns befindet, wird dramatisch verkürzt: Wir stellen uns als Fluglehrer oft vor den aufziehenden Schüler in den Weg, dass er zwangsläufig auf seinen Schirm warten muss. So ist die Grundlage geschaffen, auch den nötigen Kontrollblick mit ruhigen Schritten durchzuführen! Selbst auf einem kleiner Startplatz hat dann ausreichend Platz für die Start- oder Abbruchentscheidung nach der Kontrolle.
Die letzten Wochen habe ich viel von den Anweisungen meiner Fluglehrerkollegen dazugelernt – und für den optimalen Startvorgang ist es folgende Kombination, welche ich dir nicht vorenthalten möchte:
- Nach dem Startimpuls:
„Warte auf deinen Schirm! (WDS)“
– von Johannes - Beim Kontrollblick, nachdem der Schirm über uns ist:
„Ge-hen – Ge-hen – Ge-hen (GGG)“ – und dabei kontrollieren
– von Reini - Und seit dieser Woche noch die Ergänzung und Optimierung beim Auslegen des Schirmes:
Die „Optimale-Sichel-Form (OSF)“
– von Sharon
Ein an der Eintrittskante geöffneter und gekrümmt ausgelegter Schirm ist schon mal gut:
Die Eintrittskante lässt die benötigte Luft gut einströmen, diese kann sich über die Crossports schön in die Kammern gleichzeitig verteilen.
Aber: Rein geometrisch werden beim Startimpuls eher die äußeren A-Leinen angezogen, das Mittelteil des Schirmes bleibt hängen, der Schirm steigt zögerlich und noch verformt auf, bis dass das Mittelteil auch gefüllt ist (Bild 1).
Besser ist die in noch stärker gekrümmte Bananenform, die „Optimale-Sichel-Form“ (Bild 2):
Auch hier ist die Eintrittskante gut geöffnet, aber die Hinterkante wirkt ein wenig „gewurschtelt“. Dafür sind die beiden inneren A-Leinen eher unter Zugbelastung als die äußeren A-Leinen.
Der Effekt: Der Schirm füllt sich im Mittelteil mit der größten Flächentiefe am schnellsten, größere Luftmassen strömen in die Außenfläche, der Schirm füllt sich gleichmäßiger UND schneller. Damit gewinnen wir noch mehr Ruhe für den Aufziehvorgang und auch für die darauf folgende Kontrollphase.
Ein weiterer Nebeneffekt: Wir brauchen seitlich weniger Platz – was unseren ebenso flugwilligen Gleitschirmnachbarn am Startplatz freuen wird 🙂
Probiere es doch einfach mal aus: Zuerst den Schirm wie im Bild 1 auslegen und die Hinterkante dabei kontrollieren. Dann: die Hinterkante und die Kappe über die äußeren Bremsleinen zur Mitte hin ziehen um die in Bild 2 dargestellte Form zu erhalten. Der geordnete Aufzieheffekt ist echt erstaunlich!
…halt alles eine Auslegungssache…
[nach Handzeichnungen von Sharon, 2015]
Paul Seren
ist Papillon-Fluglehrer, Dipl.Ing. der Luft- und Raumfahrttechnik, Mitglied im DHV-Lehrteam, begeisterter Flugsportler der ersten Stunde und Tandempilot.
In seinem Blog „Pauls Pilotentipps“ informiert er in loser Folge über Wissenswertes und Aktuelles rund ums Gleitschirmfliegen.