Herbstliche Gedanken über Aussichten und Einsichten
Nach mehreren Arbeitswochen auf der Wasserkuppe und in Lüsen hatte ich Anfang dieser Woche mal wieder freie Zeit für mich und meine Familie. Einfallsreich wie wir sind, haben wir diese freie Zeit wieder für einen Familien-Aus-Flug genutzt. Drachen, Gleitschirm, Zubehör ab ins Auto und dann ab zum Berg unserer Wahl.
Da ich noch nie im gewählten Fluggebiet war, haben wir uns erstmal den Landeplatz angeschaut, alles wunderbar im Sonnenschein, klare Sicht bis oben auf den Berg! Beste „Aussichten“! Ruhiges Herbstwetter vom Feinsten. Kaum Leute da – ist ja auch mitten in der Woche.
Auf der Fahrt mit dem Lift zur Bergstation super Bedingungen, eine leichte gut sichtbare Inversionsschicht zwar im Tal, aber lauter Lücken mit ausreichender Sicht nach unten.
Apropos Sicht nach unten:
Wie war das nochmal mit den Drei Sichten aus dem Luftrechtunterricht? Flugsicht, Bodensicht, Erdsicht, Bodensicht? Habt ihr es noch drauf?
Also kurz zur Erläuterung in Kurzform:
- Flugsicht ist die horizontale Sicht nach vorne im Flug
- Bodensicht ist die horizontale Sicht am Boden (zum Beispiel am Landeplatz)
- Erdsicht ist die vertikale Sicht direkt nach unten aus dem Luftfahrt-/Luftsportgerät.
(Siehe hierzu auch Abbildung 1)
Zurück zu meiner Geschichte: Oben angekommen ist das Wetter hervorragend. Ruhiges Herbstwetter, warm, kein Wind. Sonne pur. Etwas für die Seele. Diese lassen wir baumeln. Bei einer Tasse Kaffee. Sonnen uns. Es eilt ja nicht. Urlaub.
Irgendwann drängt es mich dann aber doch zum Fliegen. An der Wettersituation hat sich nichts geändert – aus meiner Sicht.
Ok, die Inversionsschicht ist noch immer da, die Sonne hat sie leider nicht wie gehofft weggebrannt. Sonst sieht alles noch wie vorher aus. Seit der Landeplatzbesichtigung sind zwar schon 2 Stunden vergangen, aber das wird ja wohl noch passen…
Startvorbereitung und Start in herrlicher Landschaft – Blauer Himmel über mir – Berge ringsum und unter mir noch weit weg die Inversionsschicht.
Nach einer Weile des Herumgondelns in dieser abgehobenen Situation die Erkenntnis: Irgendwas stimmt nicht: die Lücken in der Nebelschicht sind rarer geworden! Eher fast weg. Der Rand der Schicht ist auch weitergewandert – das Umfliegen wird schwerer zu bewerkstelligen sein.
Oben Einlanden geht nicht mehr, die Höhe reicht hierzu nicht. Auch sonst keine freie Wiese am Berghang. Also ab durch die nächstbeste Lücke runter zum Landeplatz.
Zusammengefasst: Es ist alles durchaus gutgegangen – aber es hat mir gezeigt, wie schnell sich selbst eine ruhige Wetterlage falsch einschätzen lässt. Die Erdsicht hat sich deutlich verschlechtert und das in kurzer Zeit. Ich hätte das nicht so erwartet. Hilfreich wäre eine Info vom Landeplatz gewesen – aber die hatte ich zum Zeitpunkt des Abflugs nicht. Kurz nach der Landung war alles dicht – auch der Landeplatz…
Daher diesmal mein etwas nachdenklicher Tipp:
Genießt das Herbstwetter – es sind oft ruhige Flugbedingungen vorhanden. Aber achtet auf die Sicht – insbesondere die Erdsicht!
Falls Zweifel bestehen: Bleibt oben am Berg, trinkt noch eine Tasse Kaffee. Falls Ihr diese mit einem Schnaps anreichert, denkt an die anderen Sichtprobleme, die dadurch entstehen könnten – nicht dass Eure Sicht anders vernebelt wird.
Ich wünsche Euch mit diesen Gedanken schöne Aussichten und gute Einsichten in diesem Flugherbst!
Paul Seren
ist Papillon-Fluglehrer, Dipl.Ing. der Luft- und Raumfahrttechnik, Mitglied im DHV-Lehrteam, begeisterter Flugsportler der ersten Stunde und Tandempilot.
In seinem Blog „Pauls Pilotentipps“ informiert er in loser Folge über Wissenswertes und Aktuelles rund ums Gleitschirmfliegen.