Wenn man so als Fluglehrer am Hang steht und bei den Startabfolgen von Gleitschirm-Schülern und Freifliegern die „Handhaltung“ an den Steuerleinen betrachtet, sind einige interessante Varianten erkennbar.
Diese Varianten reichen von der „Ich-halte-mich-am-Steuergriff-fest“-Möglichkeit (A) bis hin zur „Der-Hersteller-hat-wohl-die Steuerleinen-zu-lang-abgeschnitten-und-ich-muss-zum-Fliegen-diese-Leinen-durch-mehrfaches-Umwickeln-wieder-auf-die-optimale-Länge-zurechtstutzen“- Version (B).
Was ist nun „richtig“? Was ist nun „falsch“? Hier müssen wir mehrfach differenzieren:
- Es gibt auf jeden Fall eine nicht sehr empfehlenswerte Variante: Die ganze Hand wird durch die Steuerschlaufe hindurchgesteckt – samt dem Daumen! („Skistockhaltung“) [Bild 4]
Warum nicht empfehlenswert? Wenn die Hand schnell aus der Schlaufe gezogen werden muss (z.B. wenn der Griff zum Retter notwendig wird), kann es gerade mit Handschuhen dazu führen, dass es klemmt: die Steuerschlaufe verengt sich durch den Zug und die Hand bleibt im entscheidenden Moment hängen! - Der Griff mit mehrfachen Wickeln (Variante [B]): Einerseits hat man möglicherweise ein direkteres Gefühl von der Steuerleine, andererseits wird die Steuerleine sehr verkürzt. Im Extremfall einer ungewollten Anstellwinkelvergrößerung (siehe Pauls Pilotentipps #4) ist der Strömungsabriss nicht weit, ein schnelles Freigeben der Steuerleine bis hin zur Trimmstellung kann blockiert sein.
- Der Griff mit der Hand um den Steuergriffsteg – Variante A aus dem obigen Beschreibung: Diese Griffhaltung ist richtig im Startvorgang, sie ist notwendig bei Manövern (z.B. Ohren-anlegen) – und sie hat Vorteile bei der Landung, warum? [Bild 1]
Beim Starvorgang dürfen die Steuerleinen nicht z.B. durch Umwickeln gekürzt sein, ein Hochkommen des Schirmes würde durch die Bremswirkung deutlich erschwert. Neben dem Unterlaufen des Schirmes beim seitlichen Ausbrechen hat man ausreichend Steuer-Genauigkeit, mit den Steuerleinen die Stabilisierung zu unterstützen.
In Manöver wie dem Ohren-Anlegen ist die Steghaltung notwendig: Jede andere Haltung führt z. B. zu einer Bremswirkung (durch die stärkere Wölbung des Profils). Der Anstellwinkel würde gerade beim Einleiten des Ohren-Anlegens unnötig dadurch erhöht – ebenfalls Abrissgefahr der Strömung!
Und bei der Landung? Genau die gleiche Situation: Wir dürfen den Schirm nicht zu langsam fliegen. „Fahrt ist das halbe Leben“ – dieser Spruch aus der allgemeinen Fliegerei gilt hier auch. Eine unbewusste Verkürzung und zusätzlich vorsichtiges Anbremsen führt uns hier näher an den Strömungsabriss als eventuell gewollt.
In den anderen Flugsituationen vermittelt jedoch diese Steghaltung nur ein gedämpftes Gefühl auf die vorhandenen und notwendigen Steuerkräfte. Hier wäre der direkte Griff mit Zeigefinger und Daumen an die Steuerleinen mitteilsamer als der „Haltegriff“, an dem wir unsere Hände haben – Daher: - Das Umfassen des Steuergriffes mit Griff auf die Steuerleine (Siehe Bilder):
Die Hand greift wie bei der Steg-Haltung mit Daumen außerhalb des Steuergriffes den Steuergriff und umfasst mit Zeigefinger und Daumen die Steuerleine in der Nähe des Knotens! Hier kombinieren sich nun mehrere Vorteile – die Hand kann schnell aus dem Steuergriff herausgenommen werden – und wir haben direkten, feinfühligen Kontakt zur Steuerleine. [Bild 2 und Bild 3]
Es wirkt im ersten Moment ungewohnt, ist jedoch die naheliegende Variante. Einige Hersteller sind mittlerweile auch schon dahin übergegangen, Steuergriffe anzubieten, welche nicht wie die Weiterentwicklung eines Haltegriffs in der Straßenbahn aussehen, sondern diese Steuerleinen-Anfass-Möglichkeit integriert haben.
Beachte: Jede nicht die Steuerleinen verkürzende Handhaltung und immer den „Daumen-Draußen-lass“-Variante ist schon mal generell sinnvoll.
Paul Seren
ist Papillon-Fluglehrer, Dipl.Ing. der Luft- und Raumfahrttechnik, Mitglied im DHV-Lehrteam, begeisterter Flugsportler der ersten Stunde und Tandempilot.
In seinem Blog „Pauls Pilotentipps“ informiert er in loser Folge über Wissenswertes und Aktuelles rund ums Gleitschirmfliegen.