Letzte Woche war ich mal wieder in Lüsen – bei sehr gutem Wetter, einer sehr angenehmen Thermik-Technik-Gruppe, fröhlichen Teilnehmern auch in den anderen Gruppen, mit vielen neuen Erfahrungen und Lernfortschritten bei allen Teilnehmern und der damit verbundenen guten Stimmung.
Ich empfinde diese Tage immer mehr als ein Geschenk:
Gemeinsam mit Gleichgesinnten in einer tollen Landschaft, die Luft vor und unter uns als das verbindende Element und der Möglichkeit, auf einfachste Weise mit einem sicheren Luftsportgerät in die Luft zu kommen. Egal ob als Flugschüler oder als Lehrer.
Jeder Flug hat dabei etwas Besonderes – entweder ist er schön lang, oder es geht hoch hinaus, oder der Landpunkt ist im Nahbereich oder die liegende Acht ist richtig rund oder die Landeeinteilung wirklich mal komplett eigenständig und prüfungsreif oder die Thermik bietet uns den Blick ins Pustertal und den Alpenhauptkamm, oder, oder, oder…
Das sind auf jeden Fall Glücksmomente welche uns bewegen und die Tage nach der Flugwoche noch begleiten.
Dabei ist die Größenordnung, in der wir dieses Glück erfahren können nur ein schmaler Hauch über unserem Planeten – das Satellitenbild der Nasa zeigt sehr deutlich diese dünne Schicht, in der unser Wettergeschehen stattfindet. So schmal und trotzdem für uns so großartig.
Letzte Woche durfte ich dann in diesem schmalen Streifen ein besonderes Glücksmoment erleben, welches mich und die helfenden und anwesenden Teilnehmer sehr bewegt hat:
Christine, eine junge Frau, hatte vor einigen Jahren den Film „Ziemlich beste Freunde“ gesehen. In diesem Film sind ein paar Gleitschirmszenen, in welchen ein querschnittsgelähmter Mann und sein Pfleger jeweils im Tandem-Gleitschirm fliegen. Christine ist auch behindert – seit der Kindheit.
Sie ist ebenfalls an den Rollstuhl gebunden, die rechte Körperhälfte macht einfach nicht mit. Doch der Film hat in ihr den Wunsch für einen Tandemflug ausgelöst.
Ich durfte diesen Tandemflug mit ihr machen – sie und ihr Vater hatten das Vertrauen, dass wir das hinbekommen. Wir haben den Start sehr intensiv vorbereitet, Tobias (mein Teamkollege) und Moritz (mein TT-Teilnehmer) wurden als Starthelfer und Ersatz für Christines Fahrwerk von mir eingewiesen.
Wir hatten einen wunderbaren Start und ich konnte mit Christine am Tulperhof aufdrehen. Vor mir saß der glücklichste Mensch der Welt! Und ich gebe zu: Dahinter saß ich ebenso glücklich. Mir ist bisher noch nie ein Flug so leicht vorgekommen. Und die Thermik nahm uns mit in angenehme Höhen.
Ein hoher Flug, ein langer Flug, ein besonderer Flug:
In diesem Moment wurde mir bewusst, welch ein Geschenk das Gleitschirmfliegen ist und wie dankbar ich dafür sein darf, mir diesen Traum erfüllen zu können. Ich habe versucht, Christine ein Stück davon abzugeben – sie konnte mit der linken Hand steuern und ich mit der rechten Hand. Die meiste Zeit hat sich nur genossen und vor sich hingelächelt. Während des Fluges und nach der sanften Landung auf dem Protektor hat sie immer wieder zu mir gesagt: „Danke, dass du mich fliegst“.
Christine – ich muss dir danken, dass ich dich fliegen durfte – und dass du mir diese neue Erfahrung und Sicht auf mein geschenktes Glück durch dein Vertrauen und dein Lachen brennend deutlich gemacht hast!
Meine Lektion, die ich gelernt habe ist es auf jeden Fall, Glücksmomente im Leben zu erkennen und dafür tief dankbar zu sein.
Paul Seren
ist Papillon-Fluglehrer, Dipl.Ing. der Luft- und Raumfahrttechnik, Mitglied im DHV-Lehrteam, begeisterter Flugsportler der ersten Stunde und Tandempilot.
In seinem Blog „Pauls Pilotentipps“ informiert er in loser Folge über Wissenswertes und Aktuelles rund ums Gleitschirmfliegen.