In den Anfängen meiner Gleitschirmfliegerei ist es immer wieder bei mir nach einer längeren Pause passiert, dass ich die Tragegurte in der Hand hatte und wieder mal nicht wusste, wie ich was in welcher Richtung wo auch immer im richtigen Karabiner einzuhängen habe.
Und trotz allem Hirnschmalz und rationaler Denkmuster war der der „Erfolg“ dann beim Aufziehen des Schirm erkennbar: mindestens ein Tragegurt halb verdreht und zusätzlich ebenfalls mindestens die Steuerschlaufe kunst- und liebevoll durch einige Leinenebenen und Stammleinen eingeflochten:
Murphy‘s Law – diese Lebensweisheit welche im englischsprachigen Raum mit „Anything that can go wrong will go wrong” und im deutschsprachigen Raum mit „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“ beschrieben wird, trifft mit einer hundertprozentigen Wahrscheinlichkeit gerade nach einer längeren Pause und zusätzlich bei Hektik mal wieder ein.
Ich habe mir daher mittlerweile angewöhnt, ein konkretes, für mich passendes, immer wieder gleich ablaufendes Schema anzueignen, damit ich selbst bei ausgeschaltetem Hirn nicht wieder über logische Zusammenhänge nachdenken muss, sondern nur das bewährte und geübte Verfahren ablaufen lassen kann.
Es ist im Grunde ähnlich wie die Checkliste, welche zum Beispiel Verkehrs- und Militärpiloten „abarbeiten“ – ohne bei jedem Punkt nachdenken zu müssen, warum der eine Schalter so und der Hebel in einer besonderen Position sein muss.
Die Checkliste stellt einfach sicher, dass an alles in der richtigen Reihenfolge gedacht und angewandt wird.
Nun ist das Tragegurt-Einhängen nicht wirklich so kompliziert wie der Preflight-Check eines Passagierflugzeuges, aber selbst diese kleine Komplexität reicht aus um wie oben beschrieben mit Murphys Hilfe trotzdem Fehler zu machen.
Aus meiner Sicht sind zwei Dinge für die persönliche Checkliste wichtig:
- Der festgelegte Ablauf muss immer sicher reproduzierbar sein
- Er sollte keine Variationen und mehrdeutige Abläufe beinhalten: Schema „F“ ist da ein gutes Stichwort.
Hier als Anhalt meine persönlichen Grundsätze und Check-Punkte meiner „Einhänge-Checkliste“:
- Grundsatz 1: Ich hänge mich immer mit Blick zum Gleitschirm ein: Egal ob ich dann tatsächlich rückwärts aufziehe oder doch bei schwachem Wind einen normalen Vorwärtsstart mache. Da muss ich mir nur ein Vorgehen merken – und dies hilft meiner aktuell stärker werdenden Gehirn-Arthrose! Ein weiterer Vorteil: Gerade in windigen Situationen habe ich meinem Schirm immer im Blick – und kann immer sofort reagieren.
- Grundsatz 2: Wenn das geübte Verfahren wiederholbar ohne Fehler funktioniert, höre ich auf darüber nachzudenken. Ich wende es einfach an. Immer wieder. Und immer in der gleichen Reihenfolge!
Checkpunkt 1
[ ] Schirm und Leinen ok
Hierbei achte ich darauf, dass mein Gleitschirm richtig ausgelegt ist, alle Eintrittsöffnungen offen, sowie alle Leinenebenen voneinander getrennt sind, und sich keine Schlaufe oder irgendein Knoten hineingemogelt hat.
Checkpunkt 2
[ ] Tragegurt frei und Beschleuniger-Flaschenzug „oben“
Hierbei achte ich darauf, dass die A-Ebene wirklich oben liegt, und der Flaschenzug mit den Brummelhaken fröhlich zu mir schaut.
Checkpunkt 3
[ ] Tragegurt parallel in die richtige Hand
Hierzu nehme ich die kompletten A-Gurte in eine Hand.
Tipp: Da ich mich beim Rückwärtsaufziehen „rechtsherum“ (von oben gesehen im Uhrzeiger) ausdrehe, nehme ich die Tragegurte in die linke Hand.
Checkpunkt 4
[ ] Tragegurt um 180° drehen
Hierzu übernehme ich die nun parallel liegenden Tragegurte mit der freien anderen Hand und drehe die beiden Enden aneinander liegend gemeinsam um. In meinem Fall ist es nun die rechte Hand, die sich die parallelen Gurte von „oben“ greift und rechtsherum (in Blickrichtung zum Schirm) halb herumdreht.
Checkpunkt 5
[ ] „ersten“ Tragegurt mit dem Karabiner verbinden
In meinem Fall habe ich ja beim Checkpunkt 4 beide Tragegurte mit der rechten Hand übernommen um 180° gedreht. Nun ist die linke Hand wieder frei.
Daher hänge ich den linken Tragegurt ohne beide Tragegurte loszulassen mit Unterstützung der linken Hand in den linken Karabiner.
Dabei achte ich darauf, dass der Karabiner nicht verdreht ist und nach dem Einhängen der Karabiner richtig geschlossen ist.
Checkpunkt 6
[ ] „zweiten“ Tragegurt mit dem Karabiner verbinden
In meinem Fall habe ich jetzt nur noch meinen rechten Tragegurt in der rechten Hand. Mit dieser Hand führe ich den rechten Tragegurt zum rechten Karabiner und helfe mit der linken Hand beim Öffnen des Karabiners.
Dabei achte ich darauf, dass der Tragegurt nicht noch kurz vor Schluss wieder verdreht wird. Natürlich kontrolliere ich auch hierbei, dass der rechte Karabiner richtig verschlossen ist.
Somit wären wir schon mal mit dem Schirm „gut und richtig verbandelt“.
Wie es danach weitergeht mit Beschleuniger und Aufnehmen der Steuerleinen erfahrt ihr in meinem nächsten Pilotentipp.
Bis dahin könnt ihr ja schon mal mit Eurem persönlichen Verfahren und den ersten eigenen Checkpunkte bis zu diesem Abschnitt beginnen!
Paul Seren
ist Papillon-Fluglehrer, Dipl.Ing. der Luft- und Raumfahrttechnik, Mitglied im DHV-Lehrteam, begeisterter Flugsportler der ersten Stunde und Tandempilot.
In seinem Blog „Pauls Pilotentipps“ informiert er in loser Folge über Wissenswertes und Aktuelles rund ums Gleitschirmfliegen.