StartPilotentippsBlogPauls PilotentippsPauls Pilotentipp #3: „Voll verpeilt“ oder alles gepeilt?

Pauls Pilotentipp #3: „Voll verpeilt“ oder alles gepeilt?

Oft gehört – gerade beim Landeanflug in der A-Lizenz-Höhenschulung in Lüsen: „Denk an das Peilen!“ Aber haben wir es wirklich schon „gepeilt“? Was soll ich peilen und noch viel wichtiger: Wann entscheide ich mich für den Beginn des Gegen-, Quer-, und des Endanfluges?

Laut Wikipedia wird „Peilen“ in der Übersicht der Begriffsdefinitionen als das „Scharf-ins-Auge-nehmen“ eines Objekts angeboten – was den Nagel so ziemlich auf den Kopf trifft:

Unser Objekt ist in unserem konkreten Fall der zur Orientierung dienende Landepunkt oder eben das Stückchen Wiese, auf dem wir mit einem langestreckten Landeanflug sicher ankommen wollen.

Als Pilot stelle ich mir die Fragen:

  • In welcher Höhe gehe ich aus der Position in den Gegenanflug? 
  • In welcher Höhe entscheide ich mich für den Queranflug? 
  • In welcher Höhe drehe ich in den Endanflug ein? 
  • Immer wieder: In welcher Höhe…… ?

Wenn wir uns aus dem Theorieunterricht und aus der eigenen Flugpraxis noch mal den „Gleitwinkel“ und das Gleitverhältnis unseres Gleitschirms herauskramen und dazu ein klein wenig Mathematik aus der Schulzeit mischen, können wir uns da schon mal ein Stück den Antworten nähern.

Wir gehen erstmal vereinfachend von diesen „Idealbedingungen“ aus:

  • Wir haben 0 km/h Wind
  • Die Landewiese ist komplett flach
  • Die Position ist ca. 100 m vom Landepunkt entfernt
  • Der Gegenanflug-Schenkel ist 100 m lang
  • Der Queranflug-Schenkel ist 100 m lang
  • Der Endanflug-Schenkel ist 100 m lang
  • Unser Gleitschirm hat einen Gleitverhältnis 
    • von 1:6 bei der Geschwindigkeit des geringsten Sinkens (Arme „Schulterhoch“)
    • von 1:8 bei der Geschwindigkeit des bestens Gleitens (Arme „Hoch“)

Die Strecke vom Verlassen der Position bis zum Landepunkt beträgt mit den obigen Annahmen insgesamt 300 Meter. Die erste Frage, welche hier zu beantworten wäre:

Welche Höhe benötige ich, um eine Strecke von 300 Metern bei den genannten Idealbedingungen zu schaffen? Mit unseren „Ideal“-Gleitschirm können wir von folgenden Flugleistungen ausgehen:

HöheStrecke bei 
Gleitverhältnis 1:6
Strecke bei 
Gleitverhältnis 1:8
10m60m80m
15m90m120m
20m120m160m
30m180m240m
40m240m320m
50m300m400m
60m350m480m

Aus dieser Betrachtung wird deutlich, dass wir im Bereich der „sicheren“ Geschwindigkeitsbereiche unseres Gleitschirms bei einer Abflughöhe (gemessen zum Landepunkt) von ca. 50-60 m eine ausreichende Höhe für die anschließenden Phasen des Landemanövers haben. Wir erkennen auch, dass wir mit der Stellung unserer Arme den Gleitwinkel und damit die erreichbare Stecke deutlich beeinflussen können.

Wenn wir uns das im Geradeausflug nun vorstellen können, nehmen wir dieses Bild, teilen es einfach durch „3“, und knicken es bildlich in die einzelnen Phasen des Landemanövers:

Wer das erste Mal auf einem Dreimeter-Sprungbrett im Schwimmbad gestanden hat, kann sich sicher daran erinnern, dass einem die Höhe riesig vorgekommen ist– und so geht uns das auch am Gleitschirm. Hier gilt es, die eigene Wahrnehmung mit der tatsächlichen Höhe in Einklang zu bringen – und zwar durch Training.

Am Anfang ist da eher „zu hoch“ allemal die bessere Variante als „zu tief“. Was auf jeden Fall in der Ausbildung hilft, ist der Blick zum Landepunkt/Peilpunkt, wenn der Landeplatz-Lehrer zum Gegenanflug, Queranflug und Endanflug auffordert. Dadurch kann das Gefühl für die richtige Höhe nach und nach angepasst werden.

Wichtig ist dabei aber wirklich der bewusste Blick zum Peilpunkt – und nicht auf eventuelle Geländepunkte/Gebäude, welche eine fixe Höhe visualisieren: Das funktioniert nur, wenn kein Wind herrscht und man immer nur im selben Gebiet fliegt. Sobald ein Windversatz oder ein neues Gebiet auf dem Plan steht, ist alles über den Haufen geworfen und nicht wirklich verwertbar.

Bitte beachte:

  • Wie auch im letzten Beitrag zur Landevolte (Pauls Pilotentipps, #2: Die Landevolte) beschrieben, ist es nicht das Ziel, den Punkt 100%ig treffen – er dient zu Orientierung, mehr nicht. 
  • Die obige Beschreibung betrifft wirklich nur den idealtypischen Fall. Meistens ist Wind, oder das Gelände ist nicht absolut gerade. Mit der Beschreibung soll nur der Grundgedanke der Landevolte und die dazugehörige Höhenabschätzung dargestellt werden.

Bei Wind ergeben sich andere Verhältnisse. Beispiel: mit ca. 15 km/h Wind und einer Eigengeschwindigkeit des Gleitschirms von 30 km/h ist auf folgende zu achten:

  • Die erreichbare Stecke wird prinzipiell halbiert! 
  • Mit diesem Rückenwind im Gegenanflug werden 45 km/h über Grund erreicht – der Queranflug muss zeitlich eher eingeleitet werden! 
  • im Queranflug muss die seitliche Abtrift durch einen angepassten Vorhaltewinkel vermieden werden! 
  • Im Endanflug kommt man aus der bisherigen Höhe nur noch halb so weit. Gerade dann ist eben auf einen hohen Ausgangspunkt für den Endanflug zu planen, im konkreten Beispiel wären das eben 30-40 m bei einem Abstand von 100 m zum Landepunkt!

Die regelmäßig -zumindest gedanklich- angewendete Landevolte verhilft auf jeden Fall dazu, die Höhe besser einzuschätzen und durch Ausweiten oder Verengen des Gegenanflug- und Queranflugschenkels die Höhe für einen beliebigen Landeplatz immer sicherer in den Griff zu bekommen.

Es ist dabei überhaupt nicht schlimm, zu weit oder zu kurz eingeschwebt zu sein: Jede bewusst selbstständig durchgeführt Landung und deren Analyse („Warum war ich nicht in der Nähe des Landepunktes?“) optimiert die eigene Treffsicherheit!

Paul Seren

Paul Seren
ist Papillon-Fluglehrer, Dipl.Ing. der Luft- und Raumfahrttechnik, Mitglied im DHV-Lehrteam, begeisterter Flugsportler der ersten Stunde und Tandempilot.

In seinem Blog „Pauls Pilotentipps“ informiert er in loser Folge über Wissenswertes und Aktuelles rund ums Gleitschirmfliegen.

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