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Pauls Pilotentipp #8: Kreisen wie die Adler!

Jahrtausende lang hat der Mensch davon geträumt, so leichtgängig wie ein Greifvogel oder Storch in der Luft zu kreisen und dabei scheinbar mühelos Höhe zu gewinnen und damit weite Strecken zurückzulegen.

Die grundlegenden Erkenntnisse aus dieser Langzeitbetrachtung haben eine der wichtigsten Zusammenfassungen durch Otto Lilienthal erfahren. Auch er war begeistert, fasziniert und gefesselt vom schwerelosen kreisenden Flug der Vögel.

Er hat dann durch systematische Studien die bis heute gültigen Grundlagen der Aerodynamik geschaffen. Damit konnte der Mensch endlich ein Fluggerät bauen und beherrschen, was zumindest geradeaus einen angemessen langen Gleitflug durchführen konnte. Lange Zeit war dann aber der kreisende Flug in Vergangenheit geraten, aus den ersten Gleitflugzeugen entwickelten sich in kurzer Zeit die motorisch angetriebenen Flugzeuge und das Interesse an der Kreisbewegung der Adler und Störche ging zurück.

Vor knapp 100 Jahren war es dann gerade die Wasserkuppe, welche eine weltweit entscheidende Entdeckung zu Tage brachte: Etwa 1910 hatten Darmstädter Schüler die Wasserkuppe als den Übungshang für ihre Gleitflüge entdeckt – die hindernisfreien Hänge, welche damals noch weniger bewaldet waren als heute, erlaubten das hindernisfreie Fliegen mit den selbst erdachten Gleitsegel-Flugzeugen.

Ab etwa 1920 gab es erste Treffen und Wettbewerb auf der Wasserkuppe, bei denen die Dauerflugleistung und die ersten Gleitstrecken Ziel und Ansporn für die Teilnehmer war. Dabei wurde die Flugzeit lediglich durch die hangnahen Flüge der Gleitapparate erreicht, heute neudeutsch „Hangsoaring“ genannt. Diese Wettwerbe wären beinahe Ende der 20er Jahre beendet gewesen – Hangfliegen schien die einzige Möglichkeit zu sein sein, um verlängert in der Luft zu bleiben.

Dann erfolgte am 12. August 1926 während der Rhönwettbewerbe ein spektakulärer Flug durch den Wettbewerbsteilnehmer Max Kegel – er wurde unfreiwillig, in Unkenntnis der Wettersituation, von einer herannahenden Gewitterwolke „angesogen:“ Er gewann ca. 2000 m Höhe oberhalb der Wasserkuppe und wurde über 55 km bis nach Meinigen mitgenommen. „Gewittermaxe“ hatte zwar unfreiwillig, aber dafür sehr intensiv die Kraft aufsteigender Luftmassen gespürt – die Thermik war entdeckt, auch wenn dieser Begriff erst später – ebenfalls in der Rhön – überhaupt erst definiert werden sollte.

In den folgenden Jahren wurde dieses Phänomen intensiv untersucht und auch festgestellt, dass es noch nicht einmal einer gefährlichen Gewitterwolke bedarf, um die Thermik zu nutzen. Dies war der Beginn der Thermik-Fliegerei mir Gleitsegelflugzeugen: Die Flugapparate lösten sich nun vom Hang, größere Stecken wurde durch gezielte Nutzung der thermischen Aufwinde möglich.

Um nicht aus diesem, sich mit dem Wind und den Wolken fortbewegenden Aufwindband herauszufallen, wurde eine vermeintlich neue – im Ansatz aber eine Jahrmillionen alte Flugtechnik notwendig: das gleichmäßige Kreisen in einem Aufwind-„Schlauch.“

Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei das Kreisen durch eine „verwundene“ Tragfläche: Die Kurveninnenseite wird anders in Kreis angeströmt als die Kurvenaußenseite. Wie ich in meinem letzten Beitrag (Störe meine Kreise nicht) schon geschrieben hatte, ist der Anstellwinkel auf der Innenkurve deutlich höher als auf der Kurvenaußenseite.

Damit wird einerseits die Kreisbewegung unterstützt: Die weniger „angestellte“ Außenfläche hat weniger Wiederstand und ist damit schneller als die Innenfläche mit einem höheren Anstellwinkel und dem damit höheren Luftwiderstand.

Wie schaffen wir es aber nun, nicht aus dem Aufwind“schlauch“ wieder rauszufallen? Müssen wir andauernd nachzentrieren – und wie finde ich dieses Aufwindzentrum?

Die Antwort ist einfach: Unser Gleitschirm zentriert sich weitgehend selber in den Bereich des stärkeren Aufwinds hinein, wenn wir wie im letzten Blogbeitrag beschrieben mit Körpergewicht auf der Innenseite, konstantem Innenbremsenzug und der Beibehaltung/Kontrolle des Kurvenradius durch die Außenbremse einen gleichmäßigen Kreis fliegen.

Wie funktioniert dieses „Selberzentrieren?“ 

Durch die oben geschilderte Verwindung haben wir eine Auftriebssituation, welche sehr unterschiedlich über die Tragfläche von der Kurvenaußenseite zur Kurveninnenseite verteilt ist. Die Innenseite reagiert damit auch deutlich anders als die Kurvenaußenseite auf Veränderungen des Anströmungswinkels, welcher durch den Aufwind verändert wird.

Zusätzlich kommt nun hinzu, dass der Aufwind im Kern deutlich höher ist als an seinem Rand. In Abbildung 3 ist eine solche idealtypische Auftriebsverteilung dargestellt –zusammen mit unserem rechts herum kurvenden Gleitschirm: die rechte Fläche befindet sich im höheren Aufwindbereich, die Außenfläche im Bereich des geringen Aufwindes.

Durch den schon hohen Anstellwinkel des Innenflügels und den nun durch den nach oben gerichteten Aufwindsvektor noch mal erhöhten Anstellwinkel wird der Innenflügel noch weiter angebremst. Der Außenflügel erfährt auch eine Anstellwinkelerhöhung – welche aber aufgrund des geringeren Aufwindsvektors nicht so stark wie auf der Innenseite ausfällt: Diese Flügelseite wird, im Vergleich zum Innenflügel, relativ schnell fliegen.

Der Effekt:

Unser Gleitschirm hat die Tendenz deutlicher in Zentrum zu Kurven – er zentriert! Wir müssen uns nur noch darum kümmern, dass der Kurvenradius nicht zu eng wird („Außenbremse nutzen“) und bei stärkerem Wind immer mal wieder in Richtung der Luvseite der Thermik zu fliegen, damit wir nicht „hinten“ im Lee der Thermik herausgeblasen werden.

Daher grundsätzlich: 

Gleichmäßiges Kreisen mir Körpergewicht auf der Flügelinnenseite, Innenbremse so konstant wie möglich, und mit der Außenbremse den Kreisradius/die Kurvenneigung steuern – und schon sorgt die besondere Konstruktion unseres Gleitschirmes für eine Zentrierung ins Aufwindzentrum – und die Adler schauen uns staunend (meist von oben) zu… -ps

Paul Seren

Paul Seren
ist Papillon-Fluglehrer, Dipl.Ing. der Luft- und Raumfahrttechnik, Mitglied im DHV-Lehrteam, begeisterter Flugsportler der ersten Stunde und Tandempilot.

In seinem Blog „Pauls Pilotentipps“ informiert er in loser Folge über Wissenswertes und Aktuelles rund ums Gleitschirmfliegen.

paul@papillon.de

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