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Pauls Pilotentipp #7: Störe meine Kreise nicht!

Mit der mathematischen Betrachtung von Kreisen war Archimedes beschäftigt, als ein Plünderer der Stadt ihn gerade erschlagen wollte und er diesen Satz prägte – so sehr war Archimedes von seinen Gedanken eingenommen.

Die folgenden Betrachtungen sollen uns aber nicht erschlagen, wenn wir uns ein wenig theoretisch und dann wieder ganz schnell praktisch mit dem Kurvenflug unseres Gleitschirms beschäftigen. 
Was passiert also beim Kreisen und Kurvenflug?

Generell beeinflussen sich mehrere Faktoren, welche so sehr von einander anhängig sind, dass wir sie erst mal voneinander trennen müssen. 

Kreisen wie ein Vogel, schwerlos und mit möglichst wenig Aufwand – Ein Traum, den wir uns mit dem Gleitschirm ermöglicht haben.

Was passiert beim Kreisen und Kurvenflug mit dem Gleitschirm?

Im Kurvenflug bewegen wir und um die Hochachse, Querachse und Längsachse gleichzeitig, unterschiedliche Strömungszustände und Gewichtsverteilungen wirken aufeinander ein und hebeln sich zum Teil aus, wir verformen unseren Flügel, und alles ist recht unsymmetrisch.

Trotzdem klappt es und unser Gleitschirm macht wohlgefällige Bewegungen – ein „Hoch“ den Konstrukteuren unserer Gleitschirme, welche durch pfiffige Kniffe es hinbekommen haben, solche Wunderwerke zu vollbringen.

Schauen wir und zuerst mal die Bewegung um die Hochachse an (Abbildung 1): Wie beim Autofahren in einer Kurve sind ist auch unser Flügel unterschiedlichen Geschwindigkeiten ausgesetzt: In der Mitte, wo wir mit unserem Gurtzeug hocken, empfinden wir prinzipiell erst mal keine Geschwindigkeitsveränderung zum Normal-Geradeausflug.

Unser „Außenflügel“ hat dabei aber mehr zu tun: Die Flächenspitze muss deutlich schneller sein (VA) als die Flächenmitte (VM). Hingegen ist der Innenflügel geruhsamer unterwegs – er muss langsamer fliegen (VI)!

Jetzt wird es spannend: Wenn wir einen Flügel langsam oder schnell durch die Luft bewegen verändert sich neben dem Widerstand auch der Auftrieb – und das im Quadrat zur Geschwindigkeit! Im Klartext bedeutet das: Unser Flügel will sich nun auch um die Längsachse drehen, in der Abbildung1 will sich nun die linke Flächenseite deutlich heben. Wir erhalten also eine Rollbewegung.

Wenn unsere Gleitschirmkonstruktion nicht so intelligent und uns jegliche Reaktionsmöglichkeit genommen wäre, würde sich die Fluglage schnell in einen Spiralsturz verwandeln, welchen wir in der Form jedoch nicht vorhatten! 
Nun kommen die besonderen aerodynamischen Verstellmöglichkeiten unsers Gleitschirms ins Spiel: Mit den Steuerleinen haben wir ein Instrument in den Händen, welches uns ermöglicht, den Anstellwinkel des Gleitschirm unterschiedlich über den gesamten Flügel zu verteilen!

Wenn wir wie im Beispiel eine Rechtskurve fliegen, werden wir in der Regel neben der Gewichtsverlagerung nach rechts die Steuerleine „innen“ stärker angezogen haben als die Außenbremse. Dadurch „verwinden“ wir den gesamten Flügel – die Außenkurvenseite hat einen geringeren Anstellwinkel als die durch den Steuerleinenzug stärker gewölbte Innenseite (siehe Abbildung 3).

Jetzt kombinieren sich mehrere Vorteile unseres Flügels – welche den Kurvenflug eines Gleitschirms überhaupt in sinnvoller Form ermöglichen: 
Ein geringer Anstellwinkel auf der Kurvenaußenseite bedeutet weniger Widerstand, weniger Widerstand bedeutet größere Geschwindigkeit. Der Auftriebsbeiwert (cA) wird dabei prinzipiell ebenfalls geringer, wobei die Auftriebskraft durch die höhere Geschwindigkeit weitgehend erhalten bleibt.

Ein höherer Anstellwinkel auf der Kurveninnenseite bedeutet mehr Widerstand, aber eben auch deutlich mehr Auftrieb, welcher bei der geringeren Geschwindigkeit im Kurveninnbereich nun auch nötig ist. Damit stützt die Flächeninnseite und verhindert eine Zunahme der Rollbewegung.

Somit wird einerseits die gewünschte Drehbewegung um die Hochachse („um die Kurve fliegen“) unterstützt, aber eben auch die Längsneigung beeinflussbar: Mit der Außenbremse kann nun bei gehaltener Innenbremse jederzeit die Längsneigung gesteuert werden. Nimmt sie den gleichen „Zug“-Wert an wie die Innenbremse, ist die Kurve wieder ausgeleitet.

So einfach? Nicht ganz: Jetzt gibt es noch die Körpergewichtsverlagerung der Piloten, welche eine weitere und sogar entscheidende Rolle spielt. Wir können unseren Gleitschirm ganz alleine mit dem Körpergewicht in eine Kreisbahn bewegen. Wie geht das?

Bei der Körpergewichtsverlagerung verändern wir generell die geometrische Form unseres Gleitschirms: Von hinten betrachtet erhält der Schirm in unserem Beispiel einen Knick nach rechts. Die Auftriebskomponente erhält damit eine deutliche Kraftkomponente zur Kurveninnenseite, der Schirm kurvt (Abbildung 3)!

Für einen sauberen Kurvenflug können wir nun beide Steuermöglichkeiten sinnvoll kombinieren: Mit der Kurveneinleitung durch deutliche Gewichtsverlagerung geben wir unser Schirm den nötigen Impuls, in die eine oder andere Richtung zu kurven. Mit den dazu angemessen eingesetzten Steuerleinenzug auf der Innenseite passen wir den notwendigen Anstellwinkel an, mit der Außenbremse steuern wir die Längsneigung.

Wenn wir so Kurven fliegen können, sind wir vorbereitet für gleichmäßige Kreise in der Thermik – dazu mehr in der nächsten Ausgabe!

Paul Seren

Paul Seren
ist Papillon-Fluglehrer, Dipl.Ing. der Luft- und Raumfahrttechnik, Mitglied im DHV-Lehrteam, begeisterter Flugsportler der ersten Stunde und Tandempilot.

In seinem Blog „Pauls Pilotentipps“ informiert er in loser Folge über Wissenswertes und Aktuelles rund ums Gleitschirmfliegen.

paul@papillon.de

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